Der Streit rund um die Neubesetzung des Vorsitzes der 3. Gesetzgebungskommission (Wirtschaft & Finanzen), legt das „System Südtirol“ schonungslos offen. Es ist schon lange ein offenes Geheimnis, dass die mächtigen Wirtschaftsverbände der Regierungspartei SVP ständig im Ohr liegen. Bis vor Kurzem bemühten sie sich wenigstens dies diskret und meist im Hintergrund zu tun, nach Außen präsentierte man sich in Werbevideos als überparteilich. Nun scheint auch der letzte Funken an Zurückhaltung verflogen zu sein. Mit einem Brief stellen die Wirtschaftsverbände der SVP die Rute ins Fenster und fordern, dass sich die Nominierung des Vorsitzenden – eigentlich eine parlamentarische Kompetenz – an ihren Interessen und Vorstellungen zu orientieren hat.
Dass Berufsverbände und Gewerkschaften eine möglichst gute Arbeit für ihre Mitglieder machen wollen und daher auch in den politischen Institutionen intervenieren, um sich und den eigenen Anliegen Gehör zu verschaffen, ist völlig legitim und auch nichts Neues. Doch der jüngste Auftritt der Wirtschafts-Lobbys liegt unter jedem demokratiepolitischem Niveau und sind der Beweis dafür, wer in der SVP die Entscheidungen trifft.
Der Team K Abgeordnete Paul Köllensperger und Mitglied der dritten Gesetzgebungskommission zeigt sich wenig überrascht:
„Wir alle kannten und kennen das System Südtirol, welches in den vergangenen Jahrzehnten von der Regierungspartei nicht nur toleriert, sondern sogar mitaufgebaut und gefördert wurde. Mit diesem Brief erhält das ganze aber eine neue Dimension: während in der Vergangenheit die SVP die Verbände nutzte um ihre Macht zu festigen, scheint es nun so als ob sich die Verbände – zusammen mit dem führenden Medienhaus – ein Partei halten würden.“
Als Strippenzieher im Hintergrund wurden die Verbände in Vergangenheit oftmals bezeichnet – das trifft nun offensichtlich nicht mehr zu, weil aus dem Hintergrund die politische Bühne geworden ist. Sie haben sich mit ihrer Forderung über die Präsidentschaft im Ausschuss als zusätzliches und geduldetes Parteigremium der SVP entlarvt. Jetzt vor den Wahlen wird einmal mehr bis in das kleinste Dorf hinein Stimmung für „ihre“ Partei, sprich die SVP gemacht. Vor allem der Bauernbund tut sich hier hervor. Während systemkonforme Kandidaten und Kandidatinnen der SVP und verbündeter Listen unterstützt werden, in Verbandszeitschriften prominenten Platz finden, werden Kandidaten und Kandidatinnen der Bürgerlisten oder anderer Parteien meist totgeschwiegen oder benachteiligt. Es wird klar und unmissverständlich kommuniziert, bei wem der Wähler und die Wählerin das Kreuz dann schlussendlich zu machen haben. Dass jetzt auch die Gegenleistung in Form der Präsidentschaft in einer Gesetzgebungskommission eingefordert wird und dieser Forderung auch noch mit einer Erpressung Nachdruck verliehen wird, zeigt für das Team K eine neue Qualität der politischen Einflussnahme. Ein lächerliches und furchtbares Schauspiel, für jeden Demokraten.
„Früher hatten Sammel – und Volksparteien, wie sich die SVP selbst immer stolz bezeichnet, den Anspruch alle Bürger/innen mit ihrer Politik mitzunehmen und primär für das Volk da zu sein. Das heutige Verständnis der Sammelpartei scheint viel mehr jenes zu sein, möglichst viele Partikularinteressen einzusammeln, die dann im Gegenzug für die Wahlkampfhilfe durch die demokratischen Instanzen durchgeboxt werden. Hat die SVP vergessen, für was das „V“ in ihrem Namen steht? Ein kleiner Tipp: es steht nicht für „Verbände“!“ so Paul Köllensperger abschließend.
Team K hatte übrigens wiederholt per Gesetzesentwurf und Beschlussanträgen versucht, diesem Werbetreiben der mit öffentlichen Geldern finanzierten Verbände einen Riegel vorzuschieben, war aber regelmäßig am Nein der SVP und ihrer Regierungspartner gescheitert.