Die Vorgängerorganisation der heutigen IDM hat als damalige SMG die Vision ausgerufen, Südtirol zu einer der zwanzig weltweit begehrtesten Tourismusdestinationen zu machen. Dieses Selbstverständnis als eine der begehrtesten Tourismusdestinationen war in seiner Werbung einer konsequenten Qualitätsphilosophie verpflichtet und wurde politisch auf höchster Ebene dank eines durch den damals erstmalig als Tourismuslandesrat Verantwortung tragenden Landeshauptmann oftmals betonten Mottos vertreten: Mehr Mut zum Preis!
Dessen ungeachtet, laboriert Südtirol seit Jahrzehnten an immer kürzeren Aufenthaltszeiten unserer Gäste aus Nah und Fern bei immer weiter ausufernden Nächtigungszahlen in Summe. Während erstmals 2018 die psychologische Schwelle von 30 Millionen Nächtigungen gar um weitere 10 Prozent übersprungen wurde, dümpelt der Schnitt an Anzahl Nächtigungen pro Gast weiterhin zwischen 3 und 4 unverändert dahin. Hinzu kommt, dass die Pro-Kopf Ausgaben pro Gast und Tag zwischen Sommer und Wintersaison eklatante Unterschiede aufweisen mit viel Luft nach oben im Sommer.
Schließlich darf nicht vergessen werden, was übrigens auch statistisch schwer abzubilden ist, dass in den Hochsaisonen der Erholung suchende Gast aus den traditionellen Herkunftsländern wie Deutschland und Italien von immer rastloser herumpilgernden Selfie-Jägern aus aller Herren Länder Schritt für Schritt abgelöst zu werden scheint. Das bringt Unruhe in die Betriebe und vor allem auf unseren Straßen und an den Attraktionspunkten und dies nicht nur an den An- und Abreisetagen. Fazit: Das konsequente Qualitätsversprechen lässt sich gegenüber dem immer stärker grassierenden Massentourismus nur noch mit Mühe durchsetzen.
Mitursächlich für die in immer regelmäßigeren Zeitabschnitten auftretenden Zustände, die immer stärker Abwehrreaktionen – bisher eher (noch) isoliert auftretend – in der heimischen Bevölkerung zu Tage fördern, sind neben der weltweiten Verbreitung der sozialen Medien, das Auftreten von Internet-Plattformen, die den traditionellen Tourismusbetrieben erhebliche Konkurrenz dank eines bis anhin weitestgehend wenig definierten gesetzlichen Rahmens bereiten können (Stichwort Airbnb) und die massive Verlagerung des Internetkonsums vom PC auf das Smartphone. Dazu beigetragen hat aber auch die fehlende konsequente Durchsetzung des Südtiroler Qualitätsversprechens dort, wo sich die Interaktion zwischen Tourismusverantwortlichen und Landesverantwortlichen um die Steuerung der Tourismusströme in besonderem Maße verdichten muss, um den Anwandlungen immer stärkerer Formen sogenannten Overtourism begegnen zu können: im Bereich des Angebots der öffentlichen Mobilität.
Das Landesgesetz Nr. 9 aus 2012, das den Titel Finanzierung im Tourismus trägt, sieht die Abgabe durch den Gast, gestaffelt nach Anzahl Nächtigung und Unterscheidung nach Beherbergungstyp und -kategorie, als sogenannte Ortstaxe vor, durch die Maßnahmen zur Tourismusförderung finanziert werden sollen.
Auch wenn das für den Gast vor allem in der Hochsaison gestellte zusätzliche Mobilitätsangebot mittels Bus, Bahn und Seilbahn vorrangig durch ihn finanziert wird, wobei die Bereitstellung der Mittel durch den Adressaten der von den Gemeinden einzuhebenden Ortstaxe, d. h. die Tourismusvereine des Ortes, gestellt werden, entsteht in den Augen der Südtirolerinnen und Südtiroler der diffuse Eindruck, dass sie es seien, die mittels Landesgelder diese Mobilität zum Nutzen der Touristen finanzieren. Es darf daher nicht verwundern, wenn in Stoßzeiten des dicht gedrängten Südtiroler Berufsalltags dieser mit den Erholung oder Selfie jagenden Gästen aus Nah und Fern zusammentrifft und sich dann gerne auch in den sozialen Medien eine Empörung über eine Ungleichbehandlung zwischen Einheimischen und Gast Bahn bricht. Umso mehr als augenscheinlich sommers wie winters die halbe Welt nach Südtirol zu strömen scheint, erscheint es als Absurdität, den Eindruck auftreten zu lassen, besonders als in diese Mobilitätssteuerung federführend involvierte Landesverwaltung sich eine Gratismobilität für den Gast zuschreiben lassen zu dürfen.
Schnell kursieren dann in den sozialen Medien oder in oberflächlicher medialer Berichterstattung Aussagen wie „Affront gegen die Südtiroler Pendler“, was in keinster Weise einer im Sinne einer durch die Bevölkerung dem Tourismus den Rücken stärkenden Werbung verstanden werden kann und daher zusätzlich das Wort von „Overtourism“ die Runde machen lässt. Dabei sollte noch Gegenstand vertiefender Diskussion sein, worin überhaupt dessen Übel besteht. Ist es der Bettenboom allein oder sind mitverantwortlich vor allem die extrem kurzen Nächtigungszahlen pro Gast? Fakt ist, dass die rasante Abwechslung zwischen an- und abreisenden Gästen mit ihrer Hatz während ihres Kurzaufenthalts zu diesen und jenen touristischen Hotspots, Dolomiten UNESCO Weltnaturerbestätten inklusive, die bisher durch die öffentliche Hand mitorganisierte Mobilitätssituation an ihre Grenzen bringt.
Die Abgabe einer Mobilitätskarte (Holidaypass, …) zum Nulltarif an die Gäste, die eine Nächtigung in einem Südtiroler Beherbergungsbetrieb nachweisen, mit der Berechtigung der Nutzung über diesen engen Mindest-Aufenthaltszeitraum hinaus aller öffentlichen Verkehrsmittel mit dem Effekt der Erreichbarkeit zum Nulltarif weltweit einzigartiger Stätten, ist ein weltweit einzigartiges Phänomen, dessen Werthaltigkeit zum einen unseren Touristen nicht ausreichend vermittelt wird und das zum anderen eine Dienstleistung beinhaltet, die wohl nicht urlaubswahlbeeinflussend wäre, wenn sie zu einem angemessenen Preis an die Touristen abgegeben werden würde.
Tatsächlich ist dieses Konzept bereits jetzt schon nicht flächendeckend durchsetzungsfähig. Seit 2018 ist z. B. die Beförderung auf die Drei Zinnen im letzten durch das Land gestellte öffentliche Verkehrsmittel kostenpflichtig; seit 2016 kann der Pragser Wildsee auch nicht mehr mit dem PKW erreicht werden, außerhalb von bestimmten eng gesteckten Öffnungszeiten und auch nur gegen Zahlung eines Parktickets, dessen Einnahmen allerdings nicht zu Nutzen der Allgemeinheit, sondern eines eingeschränkten Kreises an wirtschaftlichen Nutznießern geht.
Des Weiteren lässt sich behaupten, dass zusätzlich neben einer angemessenen Bepreisung des touristischen Mobilitätsangebots es nicht urlaubswahlhemmend, sondern allenfalls qualitätstouristisch steuernd wäre, wenn auch eine der Qualität unserer Naturjuwele entsprechend geschuldete angemessene Bepreisung der touristischen Hotspots unseres Landes, am Beispiel der Auferlegung von Eintrittstickets in Nationalparks oder wie bei weltweit stark nachgefragten Museen, mit Kontingentierungsschlüssel, eingeführt würde.
Dies vorausgeschickt verpflichtet der Südtiroler Landtag die Landesregierung,
- dafür Sorge zu tragen und die entsprechenden Bestimmungen zu erlassen, damit ein angemessener Preis pro Fahrt im öffentlichen Mobilitätsangebot für Touristen, in Abstimmung mit dem betroffenen Verkehrsmittel, eingeführt wird;
- innerhalb von 12 Monaten ein Konzept auszuarbeiten mit der Erfassung jener touristischen Attraktionspunkte, für die die Einführung von Eintrittstickets besonders in der sommerlichen und winterlichen Hochsaison im Sinne der Hebung des Qualitätstourismus zielführend erscheint.